Donnerstag, 27. Dezember 2012
Ordnung
Er fehlte ihr, aber das hat wenig mit seiner An- oder Abwesenheit in ihrem Leben zu tun. Das war ihr modus operandi gewesen, auch wenn sie im gleichen Bett lagen, immer eine innere Distanz, die die Nähe irgendwie erträglich gemacht hatte, eine Grobheit im Umgang, welche die Verstrickung ineinander tragbar machte.
Deshalb auch das Schlagen. Du machst mich zu einem schlechten Menschen, hatte er gesagt. Streck deine Zunge raus. Mit einem gezielten Gertenhieb schlug er, nur die Zungespitze, aber ihre geschlossenen Augen füllten sich mit Wasser. Seine linke Hand hielt ihren Kopf fest. Es war alles so unordentlich, wie sich ihre Leben vermischt hatten, wie begierig sie manchmal war, wie respektlos. Aber mit einem Schlag in ihr Gesicht war Ordnung hergestellt, Klarheit der Gedanken, Eindeutigkeit des Schmerzes. Heute reichte ein Hieb. Leg dich hin, sagte er, und legte sich hinter sie. Er hielt sie am Hinterkopf fest im Griff, sonst liess er sie gewähren, sein linke Hand in ihrem Schritt.

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Erzählen sie Ihre Geschichte? Oder die einer anderen Frau? In jedem der Fälle gehörten die diversen (?) Männer angezeigt, angefangen mit dem Vater, der schon Grausamkeit anwandte, um das Kind gefügig zu machen und es so stark unterwürfig machte, daß es sich später nicht mehr zu regen wusste. Daß dann die Frau nicht mehr zu sich selbst finden konnte.
Vielleicht versucht sie es jetzt, schreibend. Vielleicht läßt sie sich jetzt endlich von jemand Anonymen helfen, der weder triebgesteuert noch machtbesessen ist und keinen Eigennutz damit verbindet.

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Zur Frage der Erzählperspektive eine etwas unklare Antwort: Ich glaube, man kann Fremd- und Eigenperspektive nur schwer auseinanderhalten, zumindest wollte ich das gar nicht versuchen. Das personale Erzählen (die “sie”-Form) gibt mir einfach am meisten Freiheit beim Schreiben.
Zur Gewalt: Mit dem Geschriebenen versuche ich nicht, Gewalt zu verarbeiten, aber auch nicht, sie zu in irgendeiner Weise zu verbreiten. Bis anhin fehlt dieser Kontext, deshalb hier (und jetzt auch unten rechts) der Disclaimer: Alle Handlungen, gewaltsam und/oder sexuell, von denen hier erzählt wird, werden als safe, sane and consensual verstanden.
Ich hoffe, Sie mit dieser anfänglichen Uneinandeutigkeit nicht unnötigt verärgert oder besorgt zu haben. Um das geistige Wohl der Schreiberin ist es jedenfalls nicht schlecht bestellt. (Soweit ich das beurteilen kann.)

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