Montag, 31. Dezember 2012
Kaffee
Und wie sie so die Strasse zur Universität hochgeht, läuft sie ihren täglichen Gedankenweg ab, sie schlängelt sich durch den Verkehrstumult, in ihrem ganz grundsätzlichen Einzelpersonentum. Sie steht zwischen Fussgängern vor Ampeln, mit sich und Musik, zieht die Strümpfe über die Knie und geht ihre Männertopographie ab; die Tramstation, an der sie T. getroffen hatte, das Café, in dem A. sie so angesehen hatte, damals nach dem Vortrag, das Bürogebäude, in dem J. sie gepackt und geschüttelt hatte. Sie hört “Solistice”, und sieht A. da stehen, und das ganze Hier und Her in ihrem Kopf wird hinfällig, weil er auf sie wartet, und ihre Hände kalt sind, und ihre Knie, sein geduldiges Warten ist genug, um alles an Ort und Stelle zu rücken. Er nimmt ihre Hände kurz in seine, pustet gegen die Kälte. Seine Wärme, das hat sie längst gelernt, ist wenig metaphorisch. Sie möchte ihre Stirn gegen seinen Oberkörper stossen, aber sie steht nur vor ihm und sagt: “Kaffee.”

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Bilder
Das Schönste an seiner Wohnung, denkt sie, als sie in seinem kargen Schlafzimmer steht, ist das Bild an seinem Kühlschrank. Dieser liebevolle Blick, den man ihm gar nicht zutraut, weil er so losgelöst scheint, dass Leute überrascht sind, wenn er von seinen Geschwistern spricht, weil man sich kaum vorstellen kann, dass er überhaupt Eltern hat. Später liegen sie ineinander verkeilt in seinem Bett, und sie beginnt zu weinen, weil sie an dieses Bild denkt, und sich seine Haut so fremd anfühlt, noch immer. Er schaut sie freundlich an, tröstend, und knüpft seine Hose zu. Sie versucht sich einzuprägen, während sie sich das Gesicht trockenwischt, wie sein Penis sich angefühlt hatte. Für später. 

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Sonntag, 30. Dezember 2012
Später
“Bist du schon verabredet”, fragt sie, “später”, und er sagt, “Nein. Magst du vorbeikommen?” So einfach. Sie nickt, und später sitzen sie auf seinem Bett, immer ist es ein Verhandeln von Nähe zwischen ihnen, und Verhandeln heisst, dass sie versucht, mit Reden Nähe herzustellen, worauf er nicht eingeht. Er setzt sich dann einfach aufs Bett und wartet, dass sie es ihm gleich tut, weil ihn die abstrakte Nähe gar nicht interessiert. Ihn interessiert ihre Haut, wie sie auf seine Berührung reagiert. Erst streichelt er nur ihr Haar, und sie beisst sich auf die Unterlippe, sitzt da wie ein Tier in Schockstarre, aber dann plötzlich atmet sie schwerer, obwohl er erst ihren Nacken angefasst hat, aber sie weiss, was er gleich tut, und atmet tief ein, rückt näher, jetzt fasst er sie an, ihre Schenkel, sein Mund an ihrem Ohr, sie stöhnt und er grinst, sein Gesicht in ihren Haaren. Sie beginnt sich auszuziehen, mit einem gemeinsamen Kraftakt entfernen sie die Strumpfhose, endlich fasst er ihre Haut an, sie hält sich fest an ihm, an seinem Rücken, fasst nach seinen Beinen, sein Körper ist ihren Händen fremd, nur sein Geruch ist vertraut, und sie drückt sich an ihn, spürt die Härte in seinem Schritt, drückt dagegen, stöhnt ungehalten, als er ihre Brüste anfasst, während sie versucht, seine Hose aufzuknöpfen. Wenig später wird sie mehr als einmal zum Höhepunkt kommen, seine Hand in ihrem nassen Schritt, aber es ist dieser Zwischenmoment, als sie seine Hose aufknöpft, welcher der eigentliche Höhepunkt des Abends ist, denn von hier an ist alles freies Fallen. Das Begehren ist mit einem Mal glasklar, so dass es alles Für und Wieder auflöst, sein Bein zwischen ihren, sein Penis in ihrer Hand, und für eine kurze Zeit kein Verhandeln mehr, nichts als Empfindung.

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Samstag, 29. Dezember 2012
Schläfe
Immer wieder A. Es ist nicht das erste Mal, als M. bei ihr schläft, aber sie hält es nicht aus im Bett, neben ihm. Sie sitzt auf dem Sofa, den Rechner auf dem Schoss, als es klingelt. Sie stolpert aus dem Zimmer, halb angezogen, wickelt sich in einen Schal und öffnet die Tür. Als er in der Tür steht, ärgert sie sich, nicht angezogener zu sein.
Sie sagt, “Ich bin nicht allein.”
Er schaut sie einen Moment lang an.
“Ich hätte nicht herkommen sollen.”
“Du hättest anrufen können.”
“Dir ist kalt.” Er zieht sein Jackett aus und legt es ihr über die Schultern. “Wie ritterlich.”
Er lächelt, dann zieht er sie an sich, küsst ihre Schläfe. Für einen Moment bleiben sie so stehen, dann sagt er, “Du riechst nach seinem Aftershave,” und lässt sie los. Er seufzt. “Hast du was zu essen da?” fragt er, und geht in die Küche. “Nicht viel,” sagt sie, aber er steht schon am Kühlschrank. Er nimmt Zucchini und Eier heraus, und beginnt, die Schränke zu durchsuchen. Sie setzt sich an den Küchentisch, und legt sich den Schal über die Beine. Ihr ist nicht mehr kalt, aber sie zittert noch.
Beim Zwiebelschneiden fragt er, “Wer ist er?”
“Von der Uni.”
Sie schweigen, er brät Zucchini an. Sie fragt ihn, ob er ein Bier mag, öffnet eines, stellt es neben ihn. Er trinkt und schaut sie dabei an. Für einen Moment gibt es sie.
Dann fasst er sie an den Nacken, greift in ihr Haar, zieht daran. “Du bist dünner geworden,” sagt er, “du musst was essen.” Die Schlafzimmertür geht, er lässt ihr Haar los, und M. steht in der Küchentür.
“Haben wir dich geweckt?”
Sie stellt beide einander vor. Danach laute Stille.
“Isst du mit?” fragt A.
“Ähm, nein, ich glaub, ich geh—.” Er zeigt zum Schlafzimmer.
“Okay.”
Er bleibt noch einen Moment stehen, schaut sie an und geht dann. Sie isst mit A. Sie winkelt ein Bein an, zwischen sich und dem Tisch, und sieht, wie er es sieht, das Gesicht verzeiht, aber nichts sagt. Sie weiss, dass er sagen will, “Setz dich recht hin.” Aber er weiss, dass er kein Recht mehr dazu hat. Er schaut sie nicht mehr an. Beim Abwaschen fragt er sie über ihre Arbeit aus, sie reden über Robert Walser, den er nicht mag, und Herta Müller, die er nicht gelesen hat.
Dann sagt er, “Er sieht nicht aus wie ein Student.”
“Er ist kein Student.”
“Sondern?”
Sie zögert. “Privatdozent.” Für einen Moment dreht er sich um und schaut sie an. Dann schneidet er weiter und sagt, “Klar.”
Als das Wasser abgiesst, stellt er sich hinter sie, und während sie noch die Teller trocknet, sind seine Hände an ihrem Bauch. Dann küsst er ihren Nacken und sie bewegt sich nicht mehr. Er drückt sie gegen den Küchentresen, legt seinen Mund an ihr Ohr und sag dann, “Ich würde dich gerne ficken, während er nebenan auf dich wartet.”
Dann lässt er sie los. Er sagt, “Ich sollte gehen.” Sie räumt die Teller weg.
Als sie sich umdreht, schaut A. sie an. “Oh.” Sie zieht das Jackett aus. Er greift nochmals ihr Haar, dreht ihren Kopf zur Seite und küsst sie auf die Schläfe. Warum immer die Schläfe, denkt sie und er geht.
Als sie ins Schlafzimmer kommt, sitzt M. im Bett, wartend.

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